Im Dezember 1940 kommt der 25-jährige Walter Schwarze im KZ Sachsenhausen an. Weil er homosexuell ist, landet Schwarze direkt nach seiner Ankunft in der Strafkompanie „Schuhläufer“. Sonst bestraft die SS dort vor allem Häftlinge, die gegen die Lagerordnung verstoßen haben.
In der Strafkompanie werden neue Schuhmodelle der Wehrmacht geprüft und für die Soldaten eingelaufen. Aber auch 78 private Firmen lassen ihre Straßenschuhe und Materialien testen – darunter Salamander, Rieker, Uhu und Continental.
Jeden Tag muss Schwarze elf Stunden im Kreis laufen. Dabei trägt er einen 25 Kilo schweren Rucksack voller Sand. Die geschwächten KZ-Häftlinge legen täglich 38 km zurück – so viel wie bei einem Marathonlauf. Weil nur wenige Schuhe passen, haben die Häftlinge unerträgliche Blasen. Täglich brechen etwa 20 von ihnen zusammen. Sie werden sofort erschossen.
1944 geben die Lagerärzte 27 Häftlingen eine experimentelle Droge. Danach marschiert die Gruppe im Anschluss an eine Tagesschicht auch noch eine Nachtschicht auf der Prüfstrecke. Nur wenige Häftlinge überleben die Qualen länger als einige Monate. Walter Schwarze kann sich im April 1941 für ein Arbeitskommando im KZ Groß-Rosen melden und wird verlegt. Das rettet ihm das Leben.
Mit den Tests werden einige Werkstoffe entwickelt, die bis heute als Kunststoffe verwendet werden. Salamander hat den Häftlingen nie eine Entschädigung gezahlt. Auch auf eine Entschuldigung haben die Opfer vergeblich gewartet.
Lennart Busse
Joachim Müller, „Wie die Bewegung, so die Verpflegung“. Die Strafkompanie Schuhläufer. In: Ders./Andreas Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000.
Anne Sudrow, Der Schuh im Nationalsozialismus. Eine Produktgeschichte im deutsch-britisch-amerikanischen Vergleich, Göttingen 2010.