Wien, 1. Jänner 1942: In ihrem Konzert zum Jahreswechsel spielen die Philharmoniker ausschließlich Stücke von „Walzerkönig“ Johann Strauss. Das Publikum im Musikvereinssaal ist begeistert. Vor drei Jahren hat das Orchester diese „Tradition“ begonnen, aber erstmals wird das Konzert über alle Sender des „Großdeutschen Rundfunks“ ausgestrahlt. Denn es ist schon der dritte Kriegswinter und gute Stimmung dringend nötig. Von Wien aus soll die Nazi-Propaganda die „Volksgenossen“ unterhalten.
Das nationalsozialistische Regime setzt Kulturveranstaltungen gezielt für Propaganda ein. Eine besondere Rolle spielt dabei die Musik, die vom NS-Regime als die „deutscheste“ Kunst gefeiert wird. Die Walzer der Komponistenfamilie Strauss passen ideal ins Konzept: Sie haben einen künstlerischen Anspruch und zugleich machen die leichten Klänge gute Laune.
Jazz und moderne Musik hält das Regime hingegen weder für deutsch noch für Kunst. Außerdem „säubert“ es alle Orchester von jüdischen Musiker:innen. Daher entlassen die Wiener Philharmoniker 1938 sofort nach dem „Anschluss“ ihre jüdischen Mitglieder. In diesem Orchester hat der Nationalsozialismus sowieso viele Sympathisanten. Ein Drittel der Philharmoniker gehört damals bereits der Nationalsozialistischen Partei an. Die Philharmoniker waren ein Aushängeschild der österreichischen Kulturpolitik, aber ihr Dirigent Clemens Krauss arbeitet auch schon vor 1938 eng mit Adolf Hitler zusammen. Joseph Goebbels ernennt ihn bereits 1935 zum „Reichskultursenat“.
Als „Sippenforscher“ herausfinden, dass Strauss jüdische Vorfahren hat, ist das Entsetzen der Nazis groß. „Ich verbiete es, das an die Öffentlichkeit zu bringen!“, notiert Goebbels in sein Tagebuch. Er lässt Dokumente fälschen, damit niemand von der teilweise jüdischen Herkunft des Komponisten erfahren kann.