Kommode aus dunklem Holz mit vier geschwungenen Schubladen und bronzenen Beschlägen  © Wikimedia, Zeichnung einer Kommode, 1938.

Logistik

der Beraubung

Karl Herber leitet im Nationalsozialismus den Raub von Wohnungseinrichtungen jüdischer Wiener:innen. Die Wiener Speditionsfirmen profitieren massiv. 

17. Februar 1948, Bad Hofgastein: Der Spediteur Karl Herber ist auf Urlaub im Kurhaus „Sonnhof“. Er möchte sich etwas Ruhe gönnen. Der Tag beginnt genauso gelassen wie sonst auch. Aber heute endet der Urlaub abrupt: Plötzlich steht die Polizei im Hotel und verhaftet ihn. Wenig später sitzt er am Volksgericht in Linz in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Karl Herber hat im Nationalsozialismus den Raub von Wohnungseinrichtungen jüdischer Wiener:innen geleitet. Das Gericht wirft ihm Bereicherung vor.

Nach dem „Anschluss" im März 1938 gibt es für jüdische Österreicher:innen nur mehr eine Möglichkeit, um dem Nazi-Terror zu entkommen: die Flucht. Innerhalb eines Jahres verlassen 100.000 Menschen die „Ostmark“ und vor allem Wien. Zuvor werden die Juden und Jüdinnen allerdings vom NS-Staat und seinen Nutznießer:innen systematisch beraubt. Wenn den Verfolgten dann noch Möbel übrigbleiben, lagern sie diese für die Übersiedlung ins Ausland bei Speditionen ein. Nachdem Deutschland im September 1939 den Krieg begonnen hat, wird kein Umzugsgut mehr abtransportiert.
Die Nazis beschließen, auch diesen Rest zu rauben.

Ihre Möbel können Juden und Jüdinnen auf der Flucht oft nicht mitnehmen. Was sie in Speditionen einlagern, beschlagnahmen die Nazis. © Wikimedia, Möbel deportierter Juden und Jüdinnen stehen im Ghetto Mielec auf der Straße, 1942.
Im übrigen Deutschen Reich sorgen die Finanzämter und die Gestapo dafür, dass die Vertriebenen auch ihr Umzugsgut verlieren. Wien ist anders. Hier richtet die Gestapo eine neue Organisation ein, die eigenständig an der Beraubung arbeiten kann. Am 7. September 1940 nimmt die „Verwaltungsstelle jüdischen Umzugsgutes der Gestapo“ (VUGESTA) ihre Arbeit auf. Sie beschlagnahmt und verkauft die Umzugsgüter der Vertriebenen. Geleitet wird die VUGESTA von Karl Herber. Er steht auch an der Spitze der Interessenvertretung der Spediteure. Alles in einer Hand also.
Käufer:innen brauchen eine sogenannte „Legitimationskarte“, damit sie an den Verkaufstagen der VUGESTA geraubte Möbel einkaufen dürfen. © Wikimedia, Legitimationskarte der Vugesta, 1941.

Wohlwollende Beteiligung

Ungefähr hundert Speditionen beteiligen sich an diesem Raub. Sie melden, welches Umzugsgut vertriebenen Juden und Jüdinnen gehört. Dann beschlagnahmt die VUGESTA die Gegenstände. Sie übernimmt die Kosten für Lager und Transport. Die Gegenstände verkaufen die Verantwortlichen auf Auktionen im Dorotheum oder sie organisieren Verkaufstage im Prater und in der Messehalle. Die Einnahmen aus der Versteigerung gehen an den NS-Staat, die Objekte an die Bevölkerung. Beide Seiten profitieren. Dieses Fest der Beraubung lässt auch genug Spielraum für Korruption: Die NS-Funktionäre und ihr Umfeld stecken vieles gleich selbst ein.

1941 beginnen die systematischen Deportationen aus Wien. Es geht nun nicht mehr um die Vertreibung, sondern nur noch um die Vernichtung jüdischer Menschen. Ihr verbliebener Besitz soll vollständig dem NS-Staat zufließen. Neuerlich wird eine eigene Organisation geschaffen: Die VUGESTA gründet die Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse. Ihre Aufgabe ist es, den Besitz der Deportierten zu verkaufen. Auch dafür braucht es wieder die Hilfe der Speditionen. Im Jahr 1948 steht Karl Herber vor Gericht. Er behauptet, dass er nur im Interesse der Speditionen gehandelt hat. 1951 wird er freigesprochen.


Julian Stricker-Neumayer

Zeitstrahl 1940 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Clemens Jabloner, Brigitte Bailer-Galanda, Eva Blimlinger, Georg Graf, Robert Knight, Lorenz Mikoletzky, Bertrand Perz, Roman Sandgruber, Karl Stuhlpfarrer, Alice Teichova (Hrsg.), Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit und Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Band 15, „Arisierung“ von Mobilien, Wien/München 2004.